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Mittwoch, 22.01.2020
Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ)

Vom Wagnis zur Erfolgsgeschichte: Das plant Wennigsens Behindertenwerkstatt

Menschen mit Behinderung fördern, aber wirtschaftlich produzieren – diesen Spagat meistert die Triskele-Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Wennigsen seit nun einem Jahr. Für die kommenden Jahre hat die Werkstatt große Pläne.

Wennigsen. Es ist ein Spagat, den die Triskele-Werkstatt für behinderte Menschen täglich meistern muss. „Wir sind einerseits auf die Förderung unserer Mitarbeiter ausgerichtet. Andererseits müssen wir wirtschaftlich rechnen und produzieren“, sagt Betriebsleiter Uwe Dietrich. Geschäftsführer Uwe Nordhausen stimmt ihm zu. „Wir müssen Einnahmen erwirtschaften und einen Gewinn erzielen. Anfangs war die Werkstatt deswegen durchaus ein Wagnis.“

Von Kissen bis Körben: In den sechs Ateliers bei Triskele werden allerlei Gegenstände hergestellt –und anschließend verkauft. Nicht nur im hauseigenen Lädchen der Behindertenwerkstatt an der Albert-Einstein-Straße, sondern seit Kurzem auch in der Werkstattgalerie von Uta Bothe. Das Geschäft befindet sich mitten in Wennigsen an der Hirtenstraße 1, an der Ecke zur Hauptstraße. Die Behindertenwerkstatt ist froh über diese Möglichkeit – und die handgemachten Artikel von Triskele kommen gut an. “Kunden kommen inzwischen gezielt zu uns rein und fragen danach”, sagt Galerie-Mitarbeiterin Caroline Koechert und ist begeistert von dem Projekt.

Würziges Kräutersalz: Seit Kurzem bekommt man die Artikel von Triskele auch in der Werkstattgalerie von Ursula Bothe.
© Quelle: Jennifer Krebs

Kleine Rituale sind wichtig

„Ja, wir haben die ersten Wurzeln geschlagen“, sagt Betriebsleiter Dietrich. Seit gut einem Jahr gibt es die Behindertenwerkstatt in Wennigsen jetzt, und inzwischen habe sich vieles zurechtgeruckelt.

Der Tag bei Triskele beginnt um 8.15 Uhr mit einem gemeinsamen Morgenkreis. Es wird ein Lied gesungen, dann werden die Aufgaben verteilt, sodass jeder weiß, wer an dem Tag welche Arbeiten zu erledigen hat. Diese kleinen Rituale des täglichen Beisammenseins sind für die Mitarbeiter wichtig.

„Wir überprüfen uns ständig und sind immer wieder am Gucken, was wir machen und wie wir es machen“, sagt Dietrich. Denn die 32 Behinderten der Werkstatt in Wennigsen bringen ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit. Deshalb müssen auch die Aufträge den Mitarbeitern gerecht werden. Geschaut wird zum Beispiel, wen man an die Nähmaschine heranführen könnte.

Die Werkstatt für behinderte Menschen an der Albert-Einstein-Straße: Hervorgegangen ist die gemeinnützige GmbH aus dem Verein Musicon.
© Quelle: Jennifer Krebs

Größere Werkstätten würden eher auch Industrieaufträge annehmen können, sagt Dietrich. Sortieren, abzählen, eintüten. Für zwei seiner Mitarbeiter könnte das genau das Richtige sein, denkt der 63-Jährige und ist deswegen auf der Suche nach geeigneten Betrieben. Infrage käme vielleicht der Wennigser Naturkosmetikhersteller Laverana. Generell würde man sich freuen, wenn sich Firmen melden würden, die einen Außenarbeitsplatz oder ein Praktikum anbieten könnten.

Eine Sozialpädagogin begleitet die Mitarbeiter

Bei Triskele wird Rücksicht genommen auf die jeweiligen Begabungen der Mitarbeiter, ihre Talente, Wünsche und Befindlichkeiten. Für einen Mann mit Autismus wurde anfangs im Aufenthaltsraum ein Arbeitsplatz eingerichtet, weil es dort ruhiger ist. Abgeschirmt hinter einem Paravan spaltete er dort Holz für Kaminanzünder. Inzwischen habe er sich super in der Behindertenwerkstatt eingelebt und könne bei den anderen sitzen, erzählt Dietrich – es ist ein großer Fortschritt. Denn die Behinderten wollen arbeiten, brauchen Erfolgserlebnisse und möchten etwas Sinnvolles tun – so wie nicht behinderte Menschen auch. Neben der Arbeit werden die Mitarbeiter individuell gefördert. Eine Sozialpädagogin begleitet den beruflichen Alltag.

Jedes Teil ein Unikat: Die Triskele-Mitarbeiter stellen Kerzen aus Bienenwachs her.
© Quelle: privat

Dietrich bringt viel Optimismus mit und will für die Behindertenwerkstatt Perspektiven schaffen. Im Verbund mit der Lebenshilfe Seelze will Triskele bald auch ausbilden. Im neuen Berufsbildungsbereich sollen zwei Arbeitsfelder angeboten werden: Hauswirtschaft und Garten. Die Berufsschule fände dann in Seelze statt, „die Praxis hier bei uns“.

Auf dem Papier ist alles fertig. Derzeit hapert es noch an der Finanzierung des zweiten Bauabschnitts, um die Küche einzurichten. Einen Kredit von der Bank bekommt Triskele nicht, weil sie nicht Gebäudeeigentümerin ist. Stattdessen wurden mehrere Stiftungen angeschrieben. Einen großen Garten gibt es bereits. Dort sollen im Sommer Erdbeeren, Kartoffeln und Blumenkohl wachsen.

Einen großen Garten gibt es bereits, wo im Sommer Erdbeeren, Kartoffeln und Blumenkohl wachsen.
© Quelle: Jennifer Krebs

Gibt es bald ein Wohnheim für Mitarbeiter?

„Wir müssen uns den Fragen des Lebens stellen und Lösungen finden“, sagt Dietrich und redet von einer unglaublichen Flexibilität, die es dafür braucht. Für manche Mitarbeiter sei zum Beispiel der Weg in die Werkstatt zu weit. Warum der Wennigser Behindertenwerkstatt deswegen nicht irgendwann auch ein eigenes Wohnheim anschließen?

Bisher sei das bloß ein Gedanke, weil es erste Nachfragen von Mitarbeitern gegeben habe, ob sie hier in Wennigsen auch wohnen könnten. Triskele-Betriebsleiter Dietrich ist seit September auch noch für ein kleines Wohnheim für geistig behinderte Menschen in Weetzen zuständig – nur für den Übergang, bis sich jemand anderes findet, sagt er. Hätte Dietrich die Leitung nicht übernommen, wäre das Wohnheim aufgelöst worden. Für den Triskele Betriebsleiter keine Option, denn: „Drei unserer Mitarbeiter wohnen dort.“

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